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Erfahrungsreich, chaotisch, eindrücklich, emotional, ermüdend, motivierend, lehrreich und wunderschön. So lässt sich der Eindruck von Raphael Frei, Sohn von Dr. Marcel Frei, Fachzahnarzt für Kieferorthopädie, von vier Wochen «Zuversicht für Kinder» in Kirgistan im Sommer 2016 beschreiben.

Dank meinen reisefreudigen Eltern durfte ich schon in alle Winkel der Welt sehen. Zusammen sind wir monatelang durch Afrika gereist, haben uns vom Regenwald in Ecuador inspirieren lassen oder haben eine Rundreise in Australien gemacht. Das Schönste an unseren Reisen habe ich immer gefunden, dass man immer so herzlich aufgenommen und in andere Kulturen eingeführt wird. Man fühlt sich willkommen. Aber noch nie in meinen 17 Lebensjahren habe ich mich derart stark zu Hause gefühlt, wie hier in Kirgistan. Das liegt nicht mal am Land selbst, sondern einfach an der unfassbar wertvollen Gastfreundschaft, die hier herrscht.

Das absolute Minimum an Kleidern und Wäsche wurde durch zwei geteilt, nicht um jeden Preis notwendige Toilettenartikel wie der Rasierer wurden ebenfalls aussortiert. Ein halber Koffer musste für uns alle reichen. Die restlichen 130 kg wurden mit Schweizer Zahnärztematerial gefüllt. Die Auswahl reichte von Brackets über Zahnschmucksteine bis hin zu Desinfektionsmitteln. Viel zu schnell reisst uns der Wecker wieder aus dem Schlaf. Jetzt erstmal die Klinik besichtigen und einräumen. Ich werde vom Ärzteteam empfangen, als wäre ich seit Jahren integrativer Bestandteil dieses Projektes. An der Verständigung hapert es stark, nur einer der anwesenden Ärzte spricht ein gut verständliches Englisch. Mit Hand- und Fussverständigung stelle ich mich vor und bin begeistert von der Herzlichkeit dieser Menschen. Einen Tag lang wird unter vielen Ohhs und Aahs das Schweizer Material in das Orthodontic Center in Osch eingeräumt.

Endlich Montag, endlich wird’s spannend. Die ersten Patienten stehen vor der Tür. Besser gesagt sollten vor der Tür stehen. Der Warteraum ist – natürlich – leer. Mein Vater kann es nicht verstehen, bereits vom ersten Patienten weit und breit keine Spur. Mit zehn Minuten Verspätung streckt jemand seinen Kopf zwischen der Tür hervor. «Aber Moment: Das ist ja der Patient, mit dem man einen Termin für 17:00 Uhr vereinbart hatte.» Naja +8 Stunden, passt schon, wir sind ja in Kirgistan. Auch in der Schweiz habe ich meinem Vater schon oft über die Schulter geschaut bei seiner Arbeit, doch das, was man hier zu sehen bekommt, – und das sage sogar ich als Laie – ist in keiner Art und Weise vergleichbar. Schnell merke ich, hier geht es nicht um das perfekte Lachen und auch nicht darum, von sehr gut auf perfekt zu kommen. Hier will man von miserabel auf anständig kommen. Jedenfalls, wenn man es mit dem Schweizer Standard vergleicht. Genau das sei es auch, meint mein Vater, was ihm an der Arbeit hier in Zentralasien so wahnsinnig gut gefalle. Hier müsse man nicht perfekt arbeiten, sondern es gehe darum, Personen mit angeborenem Handicap ein Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, ohne dass sie ausgegrenzt werden.

Nach dem ersten Arbeitstag frage ich, wo nun all die Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten seien, wegen ihnen sind wir ja schliesslich hier. Ich staune nicht schlecht, als ich erfahre, dass gar die meisten der Patienten LKG-belastet sind. Alle wurden sie in jungem Alter von «Prof. Osch I» operiert, was ein optisch hervorragendes Auftreten ermöglicht. Die Knochen sind schön zusammengewachsen, dafür stehen die Zähne im Hier und Nirgendwo. Das ist also unsere Arbeit. Die Zahnärzte und Gehilfinnen vor Ort sind erstaunlich schlecht ausgebildet. Ich verstehe, dass die Arbeit für meinen Vater manchmal frustrierend sein kann. Eine Routineaufgabe in der Schweiz muss hier x-mal erklärt werden. Für mich sind es zwei sehr erfahrungsreiche Wochen und es ist äusserst spannend, den Fortschritt der Kirgisen auf dem zahnmedizinischen Gebiet mitzuerleben. Ich finde es toll, mit meinen Fotos einen kleinen Beitrag zum spannenden Projekt «Zuversicht für Kinder» in Kirgistan leisten zu dürfen. Ich wünsche ganz viel Erfolg, Kraft und Motivation, damit die Kirgisen bald auf eigenen Füssen stehen und LKG-Kindern eine schönere Zukunft schenken können.